Café de Lyon, Sanary-sur-Mer – Frühsommer 1935
Die Markisen spenden Schatten, der Hafen glitzert, Boote knarren leise. In der Ecke des Café de Lyon sitzen sie, eine kleine Insel aus Sprache und Exil.
Klaus Mann (unruhig, mit fahrigen Gesten):
„Der Schmerz eines Sommers – ein Buch von Melancholie. Ich wollte nichts anderes als den Zustand einer verlorenen Jugend festhalten. Aber es verfolgt mich, wie ein Geständnis, das die Welt nicht hören will.“
Eva Herrmann (lehnt sich vor, die Zigarette zwischen den Fingern):
„Klaus, dein Schmerz ist wahr. Aber Wahrheit allein verändert nichts. In Zeiten wie diesen muss Literatur mehr als Spiegel sein – sie muss Waffe sein.“
Egon Erwin Kisch (lacht kehlig, schlägt mit der Hand auf den Tisch):
„Endlich sagt es jemand! Ich bringe Reportagen, ihr schreibt Elegien. Dein Mephisto dagegen, Klaus, das ist Dynamit. Da entlarvst du nicht nur Gründgens, sondern die ganze Clique, die sich vor den Nazis verbeugt.“
Aldous Huxley (ruhig, fast kühl, mit einem schmalen Lächeln):
„Doch verrätst du nicht zugleich deine Freunde, Klaus? Das Theater war schon immer ein Spiegel der Gesellschaft. Aber ein Schlüsselroman – das ist gefährlich. Die Person vergeht, die Allegorie bleibt. Wird dein Mephisto überdauern, oder bleibt er nur eine bittere Abrechnung?“
Sybille (leise, aber bestimmt):
„Gerade die Abrechnung macht es so brennend. Wer Gründgens erkennt, erkennt auch den Preis, den viele zahlen, um Karriere zu machen. Ein Verrat? Vielleicht. Aber ein notwendiger Verrat.“
Ludwig Marcuse (bedächtig, dozierend, die Hände gefaltet):
„Jeder Verrat birgt Wahrheit. Mephisto ist weniger ein Schlüssel, mehr ein Symbol. Er zeigt, dass man nicht Macht haben kann, ohne seine Moral einzutauschen. Aber sag mir, Klaus – ist das ein Zeitroman, oder willst du ein Werk schaffen, das künftige Generationen noch verstehen?“
Klaus Mann (zögert, dann heftig):
„Ich will beides. Ankläger sein – und Chronist. Ich will, dass meine Figuren schreien für die, die keine Stimme haben. Dass sie die Zukunft warnen vor dem, was heute geschieht.“
Maria Huxley (sanft, fast beschwichtigend):
„Vielleicht braucht es gerade hier, in Sanary, all eure Stimmen – den Reporter, den Dichter, den Philosophen. Die Welt da draußen ist taub. Aber wenn ihr vereint sprecht, vielleicht hallt es wider.“
(Stille breitet sich aus, der Wind rauscht durch die Markise, man hört das ferne Klirren von Gläsern. Dann erhebt Kisch sein Glas.)
Kisch:
„Auf den Schmerz. Auf den Teufel. Auf das Exil – und auf die Freiheit im Café de Lyon.“
Klaus Mann (mit einem angedeuteten Lächeln, fast trotzig):
„Und auf die Hoffnung, dass Worte noch eine Waffe sind.“
Die Gläser klingen zusammen. Das Meer rauscht, unbeirrt, als wäre alles Gesagte nur ein Flüstern am Rande der Ewigkeit.
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