Es liegt in der Luft

Deutsche Chansons

“Es liegt in der Luft” war der Titel einer berühmten Berliner Kabarett-Revue. Darin war nicht von Umweltverschmutzung die Rede. Das Problem war 1928 noch nicht akut. Die Dinge, die damals “in der Luft” lagen, waren anderer Art: was Erotisches, was Hypnotisches, eine Sachlichkeit, eine Stachlichkeit”, womit ja eindeutig geistige Strömungen in der Atmosphäre bezeichnet sind. Das Lied “Es liegt in der Luft” machte wie die Revue Sensation. Fünf Jahre lang trällerte, sang, summte es ganz Berlin. Dann, 1933, wurde es wie so viele andere Lieder, Bücher und Gedanken verboten. Aus der Distanz, die wir inzwischen zu jenem Zeitabschnitt gewonnen haben, erscheint das Lied nicht nur wie ein Hymnus, sondern schon wie ein Abgesang auf das brodelnde Berlin der legendären 20er Jahre, die die in einen Chronisten die “goldenen” und die anderen die “bitteren” nennen. Mehr noch: das Chanson “Es liegt in der Luft” klingt uns heute wie ein Motto für die ersten Kapitel deutscher Kabarettgeschichte.

Die Geschichte des deutschen Kabaretts begann mit dem neuen Jahrhundert. Genau gesagt: sie begann am 18. Januar 1901. An diesem Tag, exakt 30 Jahre nach der Kaiserproklamation von Versailles, proklamierte Ernst von Wolzogen in Berlin das “Überbrettl”. Es sollte ein höheres Niveau als das “Brettl” haben, wie mann in Süddeutschland das Varité nannte und doch kein Theater sein. Wolzogen selbst – der sich zu seiner Idee von den Bohème-Cabarets aus dem Pariser Montmartre hatte anregen lassen – Detlev von Liliencron und Otto Julius Bierbaum schrieben Szenen und Verse, aus denen die jungen Komponisten Oscar Strauss und Leo Fall, noch ohne Operettenruhm und Operettenroutine, Chansons machten. Aber der literarische Hauch von Jugendstil, den Wolzogen seinen Creationen mit auf den Weg gab, war im Bierdunst der Vorstadkabaretts oder im Champagnerzwang der feineren Etablissements rund um die Friedrichstraße, wo man Wolzogens aristokratische Unternehmung nachahmte, rasch verweht. Hier wurde Amusement großgeschrieben. Erotik war Trumpf, Erotik im fleischfarbenen Trikot.


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