Personen:
- Ricardo – nüchterner Theoretiker des Handels
- Marx – scharfzüngiger Kritiker des Kapitals
- Malthus – düsterer Prophet der Begrenzung
- Mill – liberaler Moralist und Reformer
- Marshall – Analytiker der Institutionen
- Keynes – Ironiker des 20. Jahrhunderts
- & Co. – Zwischenrufer (Schumpeter, Hayek, Sismondi)
Szene I – Das Eröffnen des Gesprächs
Ricardo: Meine Herren, lasst uns mit dem Einfachsten beginnen. Der Handel ist das Band der Nationen. Selbst wenn Portugal den besseren Wein und England den besseren Tuchstoff hat, so gewinnt beide, wenn sie tauschen. Der Markt ist Vernunft, die Mathematik des Wohlstands.
Marx (lacht spöttisch): Vernunft, sagen Sie? Sie übersehen, dass Ihre Mathematik auf der Arbeit derjenigen beruht, die keinen Anteil am Wohlstand haben. Der Markt ist nicht Vernunft, sondern Klassenherrschaft. Der Arbeiter verkauft seine Arbeitskraft, Sie, Herr Ricardo, abstrahieren von seinem Elend.
Malthus (hebt die Hand): Vielleicht sind weder Markt noch Klasse das Grundproblem, sondern die Natur selbst. Es gibt zu viele Münder und zu wenig Brot. Ob Kapitalist oder Arbeiter – am Ende entscheidet der Hunger.
Szene II – Über den Fortschritt
Mill: Herr Malthus, Sie sind zu pessimistisch. Der Mensch ist fähig, durch Bildung und Institutionen seine Natur zu bändigen. Der Fortschritt ist keine Illusion, sondern die Frucht der Vernunft. Wir dürfen den Kapitalismus nicht vernichten, wie Marx verlangt, aber wir müssen ihn zähmen.
Marx: Reformen sind Pflaster auf eine faulende Wunde. Solange das Privateigentum an Produktionsmitteln besteht, bleibt Ausbeutung.
Marshall: Sie beide verfehlen das Entscheidende: Märkte sind keine mechanischen Apparate, sondern lebendige Organismen. Menschen handeln nicht nur aus Profitgier, sondern auch aus Gewohnheit, Vertrauen, sozialer Bindung. Wir Ökonomen müssen die Psychologie des Marktes begreifen, sonst irren wir.
Szene III – Das 20. Jahrhundert tritt ein
Keynes (tritt vor, mit einem Glas Sherry): Welch herrliche Stimmen des 19. Jahrhunderts! Doch ich komme aus einer Welt der Weltkriege und Depressionen. Da lernten wir: Märkte heilen nicht von selbst. In der Krise hilft nur das Eingreifen des Staates. Sparsamkeit führt zur Katastrophe; Ausgaben retten. Der Kapitalismus ist ein störrisches Tier, das gezähmt werden will.
Ricardo: Aber Herr Keynes, Ihre „Zähmung“ zerstört doch die Selbstregulierung des Marktes!
Keynes (lächelnd): Selbstregulierung? Ich habe sie in den 30er Jahren nicht gesehen. Ich sah Hunger, Arbeitslosigkeit, Fabriken ohne Nachfrage. Manchmal muss man den unsichtbaren Handwerker mit einer sichtbaren Hand unterstützen.
Szene IV – Die Zwischenrufer
Schumpeter (aus der Reihe): Ihr alle redet von Gleichgewicht, Regulierung, Ordnung. Aber das wahre Wesen des Kapitalismus ist Zerstörung! Unternehmer brechen alte Strukturen auf, schaffen Neues, und in diesem Chaos liegt die Kraft.
Hayek (dazwischen): Doch wehe dem, der glaubt, er könne dieses Chaos steuern! Der Staat weiß nie genug, um die Ordnung zu lenken. Jede Planung ist gefährlicher als die Freiheit des Marktes.
Sismondi (leise): Und dennoch, meine Herren, was ist mit den Menschen, die im Chaos untergehen? Eine Ökonomie ohne soziale Verantwortung ist barbarisch.
Szene V – Der unauflösbare Streit
Marx: Also bleibt alles beim Alten: der Markt als Herrschaft, der Staat als Notbehelf, die Natur als Grenze.
Keynes: Oder der Markt als Möglichkeit, wenn er gelenkt wird.
Ricardo: Oder als mathemische Harmonie des Austauschs.
Malthus: Oder als Vorbote des Elends.
Mill: Oder als Aufgabe der Reform.
Marshall: Oder als lebendiges, soziales Wesen.
Schumpeter: Oder als schöpferische Zerstörung.
Hayek: Oder als unberechenbares, aber freies Spiel.
Sismondi: Oder als moralische Verantwortung.
Und so endete der Disput nicht in Einigung, sondern in einem Echo der Stimmen, das die Halle erfüllte – ein Echo, das bis heute in jeder Krise, jedem Aufschwung, jedem Marktstreit weiterklingt.
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